Richard M. Meyer (1860-1914)
Richard M. Meyer entstammte einer vermögenden jüdischen Bankiersfamilie. Sein Großvater Ely Joachim Meyer gründete 1816 in Berlin das Bankhaus E. J. Meyer. Das Erbe seines Vaters Friedrich Meyer (1820-1881) ermöglichte Richard M. Meyer als diskreter Mäzen von Schriftstellern und Künstlern zu wirken. Dem Berufsstand seines Vaters konnte er wenig abgewinnen und studierte auf Anregung seines Lehrers Ernst Voigt in Leipzig, Berlin und Straßburg Germanistik und strebte eine akademische Karriere an. In Berlin hörte Meyer Vorlesungen bei Wilhelm Scherer, als dessen Schüler er sich sein Leben lang sah. 1886 habilitierte Meyer sich an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität und nahm im selben Jahr seine Lehrtätigkeit als Privatdozent auf. Seine Vermögensverhältnisse und sein Glauben vereitelten die von ihm angestrebte Berufung zum ordentlichen Professor. 1901 erfolgte Meyers Ernennung zum außerordentlichen Professor.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde Meyer durch seine populären Biographien über Johann Wolfgang von Goethe (1895) und Friedrich Nietzsche (1913), sowie durch die im November 1899 veröffentlichte Deutsche Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts bekannt. Durch Rezensionen und unzählige Vorträge im In- und Ausland engagierte sich Meyer für zeitgenössische Schriftsteller und Dichter wie Stefan George oder Gerhart Hauptmann.
Schon früh begann Meyer als Mäzen zu wirken und förderte ab 1888 als Erster den Philosophen Friedrich Nietzsche und ermöglichte dessen Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche durch ein großzügiges Darlehen den Ankauf der Villa Silberblick in Weimar, in der Nietzsche seine letzten Lebensjahre verbrachte. In Erinnerung an Wilhelm Scherer errichtete Meyer 1910 eine Stiftung, die alle drei Jahre den Scherer-Preis an junge Wissenschaftler vergab und durch Druckkostenzuschüsse und Stipendien Forschungsprojekte unterstützte. Meyer engagierte sich ehrenamtlich für zahlreiche Institutionen und wurde 1910 von Elisabeth Förster-Nietzsche in den Vorstand der Stiftung Nietzsche-Archiv berufen.
Zusammen mit seiner Frau Estella (1870-1942) führte Meyer ab der Jahrhundertwende in seinem Stadtpalais in der Berliner Voßstraße 16 einen literarischen Salon. Zu seinen Gästen zählten neben Stefan George, Thomas Mann, Gerhart Hauptmann, Ricarda Huch, Marie von Bunsen, Stefan Zweig, Gustav Frenssen, Emil Ludwig oder Björn Björnson auch Vertreter der Kunstszene wie Melchior Lechter, Curt Stoeving oder Markus Behmer.
Neben einer umfangreichen Bibliothek trug Meyer mit seiner Frau eine bedeutende Kunstsammlung zusammen, zu der nicht nur der von seinem Vater erworbene Nachmittag im Tuileriengarten von Adolph von Menzel zählte, sondern auch Auftragsarbeiten von Max Klinger, Franz von Stuck, Franz von Lenbach oder dem Berliner Malerehepaar Lepsius, zusammen mit Werken von Max Liebermann, Max Slevogt, Walter Leistikow oder Ferdinand Hodler.
Richard M. Meyer verstarb am 8. Oktober 1914 in Berlin und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee beigesetzt. Nachrufe in in- und ausländischen Zeitungen würdigten Meyers wissenschaftliche Arbeit und sein Engagement als Mäzen für Künstler und Schriftsteller. Estella Meyer lebte ab Mitte der zwanziger Jahre im Sanatorium Waldhaus am Nikolasee. Im Sommer 1936 zwang das Deutsche Reich Estella Meyer das Anwesen in der Voßstraße zu verkaufen. Für den Neubau der Reichskanzlei wurden alle Gebäude auf der Nordseite der Straße bis 1938 abgerissen. Im Sommer 1942 wurde Estella Meyer zusammen mit anderen jüdischen Patienten deportiert und in einem Vernichtungslager ermordet.